1981   Balearen

       
Heizari in Sta. Ponsa (1, 2), Pto. Andraitx (3-5), NW Küste Mallorcas (7-8), Pto. Soller (9)

Mai 1981

Anreise nach Mallorca mit dem Zug über Venedig, Genua, Barcelona, von dort mit der Fähre. Nach der Ankunft mit der Fähre beziehe ich ein Zimmer und mache mich auf den Weg nach Santa Ponsa. Als ich dort ankomme schaue ich ganz aufgeregt über den Zaun und zwischen den Büschen hindurch, "Wo, wo ist sie? Wo ist das Boot?" Vick Stewart hat mir ein Photo geschickt wie sie aufgepallt und mit einem riesigen blauen Persenning abgedeckt dasteht.

Ich habe Unmengen an Gepäck - va. Werkzeug und Bücher haben ein mörderisches Gewicht. Am nächsten Tag fahre ich in die Marina und melde mich. Ich beginne den riesigen Persenning runter zu zerren - für einen alleine fast unmöglich; es riecht nach Farbe und Diesel.

Zwei Wochen lang  streiche ich das Freibord und Unterwasserschiff, mache kleine Arbeiten an Herd und Motor. Am 15. Juni ist es soweit, "Heizari" wird zu Wasser gelassen. Den Mast lasse ich mit einem kleinen Kran einsetzen; man sollte es eigentlich selber können, aber ich getraue mich nicht. Kaufe ein altes Avon Redcrest Dinghy als Beiboot um 20'000 Peseten (ca. 3600 öS).

16. 6. 1981

0730     unter Motor aus der Cala St. Ponsa ausgelaufen, wolkenlos, diesig, schon recht heiß. Groß und Genua gesetzt, Motor aus, Windfahnen­selbst­steuerungs­anlage "Quartermaster" (QM) justiert. Sitze an Deck, mir ist komisch zumute, denke mir, "Und das ist es jetzt - ?"

1130     in der Bucht von Puerto de Andraitx geankert, das Echolot gibt kurz vor dem Einlaufen den Geist auf. Motor 1,0 Std.

 

 

Kassabuch 6. 6. - 15. 6. 1981

Fahrt, Essen, Post, Taxi                                        Pts 7157,-

Antifouling, Gloss, Pinsel                                             8880,-

Antifouling 1 Dose                                                     1640,-

Liegeplatz St. Ponsa 27. 4. - 15. 6.                             17687,-

zu Wasser lassen                                                      2500,-

Mast setzen                                                             1000,-

Spanische Nationale                                                    400,-

Wantenspanner f. Oberwant Backbord                          2000,-

Schrauben, Muttern Unterwant Backbord                        165,-

Beiboot                                                                 20000,-

zusammen                                                             61429,-

das sind in öS                                                         11094,22

davon fürs Essen                                                 öS 1300,-

fürs Boot                                                            öS 9800,-

***

Im ersten Jahr betrachte ich Puerto de Andraitx gewissermaßen als meinen Heimathafen. Die große Bucht, deren Einfahrt von hohen Felskegeln flankiert wird, liegt an der Westecke der Insel - nicht weit von der zwar unwirtlichen aber schönen Nordwestküste.

18. 6. 81

0850     ankerauf Puerto de Andraitx nach Puerto de la Mola, rechtweisender Kurs (RWK) 130°, Kompasskurs (KK) detto.

0930     Fock und Groß gesetzt, Wind NE 3 - 4 Beaufort, See mäßig bewegt, halb bewölkt, über der Insel geschlossene Bewölkung und diesig. Ich überlege, ob ich St. Ponsa anlaufen soll; später, ob El Toro - das ist eine neue Marina  in der Cala Peñas Rojas. Bin ziemlich seekrank, lege mich nach jedem Manöver sofort im Cockpit nieder.

1136     Kreuzpeilung mit den Leuchttürmen Isla Toro und den auf Kap Figueras; behalte den Kurs bei.

Mein Peilkompass ist von Plastimo - sehr passender Name, er ist ganz aus blauem Plastik -, aber er hat einen guten Griff (nicht so ein flaches Ding wie der von Silva), Beleuchtung,  eine große, gut gedämpfte Kompassrose und er war lange nicht so teuer wie die Dinger aus Stahl und Holz, die man auf den Segelschulschiffen hatte.

1230     Wende auf Bb (Backbordbug), gelingt erst nach zweimaligen Anlauf.

1330     Wende auf Steuerbordbug

1430     Wende

1500     Tausche Fock gegen Genua, Wind 1 - 2 Beaufort, wolkenlos, diesig

1530     berge Genua, Motor an

1730     ankern

nach längerem Suchen und unzähligen Kreisen ankere ich vor dem Paseo Marittima im Hafen von Palma di Mallorca auf 3 m mit der ganzen Kette, die ich habe. Bin ziemlich fertig (von der Seekrankheit, der Aufregung, der ungewohnten Tätigkeit und von der Enttäuschung darüber, dass ich seekrank werde); Motor 2 Std.

In Palma kaufe ich ein Handlot - ein Bleigewicht und eine Leine, die ich in Meter- und Fünfmeterabständen mit verschiedenfarbigen Isolierband markiere; das Isolierband wird mit Takelgarn fixiert. Es kommen Handschuhe, Kübel, Kriechöl, Klebebuchstaben um den Schiffsnamen aufzukleben, Sicherungen für den kleinen Sicherungskasten über dem Kartentisch, Kontaktkleber und Chlor für das Trinkwasser hinzu. 70 m Nylontrosse 22 mm stark liegt mir besonders am Herzen.

Die Stewarts haben die ohnehin nicht sehr lange Ankerkette gekürzt - ein Sakrileg! Die 22 mm Ankertrosse hätte auch für ein zehnmal schwereres Schiff gereicht. An das eine Ende wird eine Kunststoffkausch eingespleisst - ich bin sehr stolz darauf, dass mir das auf Anhieb gelingt und tatsächlich auch hält. Dazu kommen noch Farbe, Nirostaschäkel, Batterien für die Taschenlampe, Schrauben und diverser anderer Kleinkram. Vom 16. bis 23. habe ich ca. öS 4300 ausgegeben.

 

23. 6. 81

In der Früh Regen und Wind aus NE; der steht schräg von vorne auf das Schiff. Ich verwende erstmals die neue Ankertrosse - nur ein kleines Stück.

1600     verholen unter Motor vom Ankerplatz vor dem Paseo Marittima zur Contra Muelle im Club Nautico um Wasser zu bunkern.

Laut Vick Stewart ist der Motor seit dem letzten Ölwechsel ca. 20 Std. gelaufen, das ergibt insgesamt also 23. Die Wassertiefe am Paseo Marittima habe ich mit dem Handlot nachgemessen - es waren 5 m. Das Geflimmer des Echolotes verwirrt mich, ich traue der Anzeige nicht.

Am 24. 6. verlege ich mich vom Club Nautico zur Muelle dei Pescatores um Diesel zu bunkern, 27 l à 40 Pts. Der Steuerbordtank ist jetzt voll. Von dort wieder an den Paseo Marittima, ankern auf 3,5 m.

Ich schöpfe wieder 2 bis 3 Liter Wasser vermischt mit Öl oder Diesel aus der Bilge nachdem ich sie am 23. völlig entleert und aufgewischt habe. Ich weiß nicht recht wo das herkommt. Die Arbeit ist ekelhaft - Bodenbretter wegwuchten, die trübe Suppe mit einer abgeschnittenen Plastikflasche ausschöpfen, den Rest mit einem Schwammtuch auftunken.

26. 6. 81

0850     Anker auf Palma

0950     Motor aus, Groß, Genua setzen, Wind SE 2 bis 3 später auf SW drehend und auf 4 bis 5 auffrischend. Tausche Genua gegen Fock.

Kreuze auf, um das Kap Figueras zu passieren (das ist die westliche Begrenzung der Bucht von Palma). Ein Versuch das Groß zu reffen schlägt fehl, ich kann das Segeln nicht ordentlich eindrehen, die Schnecke ist viel zu schwergängig; verliere dabei eine Winschkurbel - sie gleitet mir aus der Hand und schwupp, schneller als ich schauen kann ist sie über Bord gegangen und im Wasser versunken. Später gelingt es doch, das Segel bis zur zweiten Reihe Reffgattchen einzudrehen. Ich bin die ganze Zeit überbesegelt, das Boot stampft schwerfällig durch die Wellen. Mache noch einen weiteren Kreuzschlag nach draußen um die Isla Toro zu passieren - ich getraue mich nicht durch die Passage zu gehen). Dann drehe ich auf Nordkurs.

1430     in der Marina El Toro. Zuerst versuche ich vor Buganker festzumachen, es ist aber sehr eng. Gehe schließlich an einem halbfertigen Steg längsseits. Mache klar Schiff und bereite eine Eierspeise. Motor ist beim Einlaufen nur eine halbe Stunde gelaufen. Das Wetter war den ganzen Tag bewölkt, zeitweise Regen.

Verhole an einen Mooringplatz, wobei ich mich von oben bis unten dreckig mache; Backbord achtern zerschramme ich die Scheuerleiste. Der Platz ist unruhig, dass Schiff ruckt heftig in die Festmacher ein. Wozu war das gut, dass ich noch ins Office gegangen bin?

27. 6. 81

1400     Ablegen von der Marina El Toro nachdem ich 500 Peseten bezahlt habe und eine Stunde herumgewerkelt um von der Mooring loszukommen.

Es steht noch eine starke Dünung von der Nacht. Wir sind im Einflußbereich der Kaltfront. Sicht sehr gut, Himmel 1/4 bedeckt. Wind NW 3 Beaufort. Ich kann Puerto de Andraitx nicht anliegen und kreuze. Der QM arbeitet anfangs zufriedenstellend. Gegen 1800 flaut der Wind ab. Ich habe bisher kaum drei der sechs Seemeilen gut gemacht. Tausche Fock gegen Genua und gehe an die Pinne. Eine 11 m Yacht taucht auf und überholt mich.

1930     Am Kap Molat erwische ich eine gute Winddrehung und liege mit dem Spanier auf gleicher Höhe. Nach der letzten Wende überholt er mich wieder. In der Einfahrt nach Puerto de Andraitx werde ich von ihm angesprochen. Er hat Motorschaden. Ich schleppe ihn in den Hafen und übernehme ein Crewmitglied, das ich am Club absetze.

2030     ankern in Puerto de Andraitx; gehe noch fürchterlich essen; Motor 1,0 Std.

07. 07. 81

1000     Anker auf Puerto de Andraitx, Wind NW 1 - 2 Beaufort. Kompasskurs 260 bis 290° je nach Wind.

1115     Log ausgeworfen, Stand 00.00.00

Bei dem Log handelt es sich um ein Walker Schlepplog - ein kleiner Propeller, eine etwa 5 m langen Leine und eine Zählwerk. Das Zählwerk hat eine Befestigung an der hinteren Bordwand. Der Propeller überträgt seine Drehung über die Schnur - die dazu besonders geflochten ist, damit sie keine Schlaufen macht - auf das Zählwerk. Beim Auswerfen und Einholen gib es einen Trick, damit man keine Schnursalat baut: man wirft das zählwerkseitige Ende ins Wasser wodurch sich die Schnur schön ausrichtet, dann lässt man die Propeller hinein, holt die Schnur zügig ein, der Propeller wandert nach hinten, das andere Ende kommt wieder näher, man hängt die Schnur ins Zählwerk ein. Beim Einholen verfährt man umgekehrt: man hängt die Schnur aus (natürlich ohne sie loszulassen), lässt das Ende ins Wasser gleiten, holt den Propeller ein und dann erst holt man die Schnur ein.

1300     Segeln runter, Totenflaute - drehende Windhauchs, Loggenstand 1,1 sm.

1400     Ankern vor St. Telmo an der NW-Ecke Mallorcas, hinter einer kleinen Insel

Verliere mein Lot, da der Schäkel aufgeht. Inspiziere das Unterwasserschiff mit Schnorchel und Tauchbrille. Es sieht gut aus, bis auf vier Stellen, an denen der Anstrich vom Gurt des Travellifts beschädigt ist. Vom nahen Strand kommen die Schwimmer und Luftmatratzenfahrer beinahe bis zum Boot. Darunter auch zwei spanische, etwa 6, 7 Jahre alte Mädchen. Ich stehe gerade in der Pantry um mir was zum Essen zu bereiten - unbekleidet! Sie müssen das irgendwie mitbekommen haben, vermutlich war ich einen Sprung ins Cockpit gestiegen um etwas zu holen. Anstatt jedoch verschämt abzuziehen, paddeln sie, kreischend vor Vergnügen und so schnell sie können auf mich zu. Ich bin ob eines so undezenten Verhaltens leicht pikiert und ziehe eine Badehose an.

08. 07. 81

0845     Anker auf St. Telmo

0920     Log ausgeworfen, Stand 1.1, RWK 054°, Mw +4°, KK 058°

1035     Groß, Genua KK 060°, Mw -4°, Abdrift +3°, RWK 059°

1315     Vorsegel runter, Motor an, Log 11.8      
ankern auf 15 m Punta de sa Forradada, Log 17.3, Motor 3,5 Std.

09. 07. 81

1000     Anker auf Forradada dei Miramar

Die Forradada dei Miramar ist ein durchlöcherter Felsen, der direkt am Wasser steht, sieht recht beeindruckend aus - eine der Sehenswürdigkeiten der mallorkinischen Nordwestküste. Ich habe mich auch zeichnerisch daran versucht, mit mäßigem Erfolg allerdings.

1200     ankern in Puerto de Soller. Der Anker hält zuerst nicht. Erst beim dritten Anlauf, an einer seichteren Stelle hält er dann auch bei Vollast rückwärts; mache klar Schiff.

Bei Schwimmen ums Schiff quatsche ich ein Mädchen an. Sie ist eine Französin, Krankenschwester. Sie sieht eigenartig kindlich aus, könnte auch für zwölf durchgehen, obwohl sie gerade zehn Jahre älter als das ist. Abends gibt es ein Fest mit Feuerwerk und Rundfahrt der Boote im Hafen. Wir verabreden uns, gehen nachher noch in eine Disco. Später findet sie es heiß und meint, man könne ja ein wenig schwimmen gehen. Wir lassen die Kleider am Strand und schwimmen zum Boot. Ich kann das gar nicht so recht glauben, was da abläuft und bin nervös und unbeholfen. Das ganze wird kein rauschendes Erlebnis.

 

12. 07. 81

0730 Anker auf Puerto Soller

0930     ankern Cala Calobra, Heckleine, Anker ist fraglich, starke Dünung in der engen Bucht, die Wellen werden von den Felsen reflektiert, das Wasser schwappt herum wie in einer großen Schüssel. Gehe kurz an Land und hinauf in den Torrente dei Parais.

1030     Anker auf; unter Motor in die Cala Tuente. Hier sieht es nicht sehr behaglich aus. Ich nehme Kurs aufs offene Meer und setze Segel; Groß und Genua. Das Wetter ist wolkenlos, Wind aus NW, 1 bis 2 Beaufort. Später wieder Motor.

1630     ankern wieder in Puerto de Soller. Motor 4,0 Std.

17. 07. 81

0855     Anker auf Puerto de Soller, Logge 17.3

1200     Punta Becca querab, Motor aus, 3,0 Std. Groß, Genua Wind NE 1 bis 2 Beaufort

Bis der Wind kommt, fahre ich über eine gläserne Dünung aus NW, das Wasser ist tiefblau, fast schwarz. Die Felsenküste liegt teilweise noch im Schatten und sieht selbst am Tag ein wenig bedrohlich aus. Aus den unruhigen Wellen, die Dünung trifft mit den vom Ufer reflektierten Wellen zusammen, schwirren winzige fliegende Fische hervor, schlagen einen Haken und verschwinden wieder im Wasser.

1805     Motor an. Kurs 105° auf Kap  Formentor (das ist die NE Ecke Mallorcas). Kurz vor dem Kap böiger Wind; setze Groß und Genua. Wind dreht auf S später auf SW. Runde das Kap, unter Genua liegt das Boot schwer auf der Seite und kommt nicht ins Laufen; tausche gegen die Fock.

2400     ankern hinter Punta Avenzada, Motor 0,5 Std. Log 62.5

18. 07. 81

1900     von Punta Avenzada zum Ankern vor Puerto Pollensa.

19. 07. 81

Ausflug nach Pollensa. Treffe einen schrulligen Engländer, der "Raubersg'schichten" erzählt. Er schwadroniert über die strategische Bedeutung Gibraltars und der Dardanellen. Immer wenn er von den Großmächten der Vergangenheit spricht schließt er aus Höflichkeit Österreich ein, auch wenn Österreich nicht oder nur am Rande davon betroffen war.

20. 07. 81

1300     Anker auf unter Segel (!) von Puerto de Pollensa. Wind NW 4 Beaufort. Wild durcheinanderlaufende Kreuzseen. Kurs auf Menorca 095°

1845     Log 78.4

2135     Kompasspeilung  auf das Leuchtfeuer Cabo Dartuch 58°, Log 89.7

2320     Kompasspeilung Leuchtfeuer Cabo Dartuch 355° Log 91.5. Neuer Kurs 113°, Wind NW 1 bis 2 Beaufort.

"Heizari" ist bei raumen Wind stark luvgierig. Spät in der Nacht ersetze ich Groß und Fock durch die Genua, von da an steuert sie sich von selbst. Es ist eine klare, sehr warme Nacht. Über den Horizont kommt ein riesiger, ein wirklich gigantische großer Mond hervor, die Sterne sind bis zum Horizont sichtbar.

21. 07. 81

0800     Isla Aire querab. Wind NNW auf 4 Beaufort zunehmend, in Böen 5.

1230     Mola querab, Segeln runter

1400     Mahon, Menorca. Ankern westlich des Handelskais - das ist ganz hinten in dem riesigen natürlichen Hafen von Mahon - mit Heckanker und zwei Festmachern über den Bug. Das Ankern klappt erst beim zweiten Anlauf, der Grund ist schlammig und hält nicht gut; hätte ein Boot fast gerammt.

Mahon ist einer der größten natürlichen Häfen des Mittelmeeres, etwa 6 sm tief und hat in der Vergangenheit den Engländern als Flottenstützpunkt gedient. Die Insel Menorca ist wie eine dicke Felsplatte aufgebaut, die auf einem nicht sichtbaren Sockel im Meer sitzt. Es gibt keine Berge und kaum Hügel. Die Vegetation va. nördlich des Hafens ist heideartig. Ich mache hier lange Spaziergänge. Manche Felder sind mit niederen Steinmauern eingezäunt. Einmal sitze ich zwischen Feldern unter einem Olivenbaum und versuche eine archaische Stimmung in mir aufkommen zu lassen - aber es gelingt nicht so recht, ich bleibe unruhig. Auf Menorca gibt es alte Steinsetzungen und Grabhügel wie in der Bretagne und in Schottland. Ich besuche das Haus Lord Nelsons; er soll sich hier mit Lady Hamilton aufgehalten haben. Per Autostopp fahre ich ans andere Ende der Insel, nach Ciudadela. Dabei lerne ich ein junges, englisches Lehrerehepaar kennen, Paul und Janet und ihre neuseeländische Freundin Robyn. Neben meinem Anlegeplatz liegt ein deutsches Segelboot, "Pemar", nach den Vornamen seiner Besitzer, Peter und Margret. Mit ihnen freunde ich mich ebenfalls ein wenig an. Sie sind in Puerto de Andraitx stationiert, doch ich kann mich nicht erinnern sie dort gesehen zu haben.

Kassabuch: vom 6. Juli bis 1. August gebe ich ca. öS 6600 aus, da sind eine Mittelbank fürs Dinghy und eine neue Batterie dabei.

25. 07. 81

Ausflug Cala Es Grau. Mit Robyn von Mahon in die Cala Es Grau, wo sie und ihre Freunde in einem Landhaus wohnen.

 

28. 07. 81

Mit Robyn, Paul und Janet in die Cala Meshida. Das ist ein etwas abgelegener Strand. In die Bucht steht hoher Schwell. Wir gehen mit dem Dinghy an Land, - unter Mühen. Peter stapft mit Socken und Sandalen durch den Sand - er ist ein richtiger Engländer. In der Bucht ist es nicht gemütlich. Wir segeln bald zurück nach Mahon. Bei der Einfahrt in den Hafen spielt Peter "Moorish Dances" auf seiner Fidel. Die klingen wie amerikanische "Square Dances". Das Wasser ist glatt, das Boot fliegt mit gefüllten Segeln dahin und über dem Rauschen der Bugwelle erklingt die Fidel und das Stampfen mit dem der Spieler den Rhythmus angibt. Ganz nahe gleitet das Ufer vorbei. Menorca ist alt und zeitlos, auf ihr vermischen sich die Epochen. Viertausend Jahre waren gestern, hundert Jahre waren gestern und Gestern war auch gestern.

31. 07. 81

1000     verhole das Boot zum Club Marittima von Mahon um Wasser zu fassen. Der Club liegt näher zur Einfahrt des Hafens an seinem Südrand (wenn man rein fährt, links).

1230     ablegen vom Club Marittima, Loggenstand 117.1 An Bord ist Robyn, die mich (zum sichtbaren Entsetzen ihrer Freunde, sie ist nämlich verheiratet) die nächsten Wochen begleiten wird.

1530     Groß, Genua, Log 14 sm.

2030     Log 19 sm

01. 08. 81

0915     Motor an

1315     Groß, Genua

1415     Motor

1440     Log 45 sm (196,5)

1550     Groß, Genua

Das alte Logbuch enthält keine Eintragungen, wann wir in Palma di Mallorca ankommen, noch wo wir ankern. Ich versuche Erika zu finden, die mit Freunden zum Segeln da sein soll. Später erfahre ich, dass sie früher als geplant ausgelaufen sind.

04. 08. 81

Palma - Puerto de Andraitx, Motor 3,0 Stunden. Unterwegs Badestopp; beim Ankerauf bricht der (nicht originale) CQR-Anker, der sich unter einem Felsen verhakt hat, zwischen Gelenk und Pflug glatt ab. Die Bruchstelle ist leicht rostig, also muss es schon länger einen feinen Riss gegeben haben.

Kassabuch: in 50 Tagen ca. 45'000 Peseten ausgegeben, ohne Anker, Echolot und Batterie, das gibt einen Schnitt von öS 162 pro Tag.

Robyn bringt mich in eigenartige Situationen. Einmal sitzen wir in einem Kaffee an der Mole. Ich rücke mit meinem Stuhl näher zu ihr, worauf sie sehr kühl meint ich solle ihr mehr "airspace" lassen. Für jemanden wie mich, der körperliche Nähe nicht besonders schätz, ein ungewohntes Erlebnis.

Ein anderes Mal reden wir über den zweiten Weltkrieg. Sie erzählt von "The Wave", diesem Experiment an einem amerikanischen College, wo Jugendliche mit Aussichten auf Geheimgesellschaft, Zugehörigkeit zur Elite, etc.  geködert wurden, ähnlich wie das die Herrenmenschen-Betreiber vor 40 Jahren so tödlich erfolgreich zustande brachten.  Robyn wird plötzlich ganz aufgeregt und wirft mir vor, trotzdem! "wir" hätten schon zweimal einen Weltkrieg angefangen. Das ist zwar richtig, doch hat mir das noch niemand vorgeworfen. Normalerweise war ich immer in Opposition zu meinen immer noch hitlerfreundlichen, judenfeindlichen Altvorderen, und ich habe meine eigene Zeit hinter mir, die ich gebraucht habe, diesen gehirnzersetzenden Schrott über Bord zu werfen. Wenn einem plötzlich etwas vorgeworfen wird, das man selber ablehnt, wird man schon eher ärgerlich - und trotzig.

12. 08. 81

0800     Anker auf Puerto de Andraitx, wolkenlos, windstill, Kurs 227° Richtung Ibiza, Loggestand 212.5

1300     Motor aus

1318     Log 19 sm (231,6)

1600     Motor an

1700     Motor stottert und fällt aus, kein Treibstoff, fülle aus dem Kanister nach.

Robyn erzählt, dass sie ein "worrier" war, jemand, der sich ständig Sorgen machte, doch dass sie das überwunden habe, indem sie alles nachkontrolliere und ihre übrigen Bedenken ganz einfach ignoriere. Nun - "germs", Bakterien scheinen sie noch immer zu beunruhigen. Sie ringt um heissen Abwasch und heisses Nachspülen. Bei ihrem Studium zur Mikrobiologin hat sie das nämlich getestet und nachgewiesen, dass so die wenigsten grausliche, kleinen Viehcher übrig bleiben.

Ich meinerseits kämpfe ständig mit dem schlechten Gewissen, weil ich immer das Gefühl habe, zuwenig für die Instandhaltung des Bootes getan zu haben.

2000     Motor an

Wir fahren in der Dunkelheit an der pechschwarzen Silhouette Ibizas entlang. In der Ferne blitzt Wetterleuchten, einmal schwebt greller Lichtschein im nachtschwarzen Himmel, wie ein riesiges, leuchtendes Ufo - es ist die mit Scheinwerfern angestrahlte Zitadelle von Ibiza-Stadt.

2400     ankern im Hafen von Ibiza-Stadt, Motor 10,0 Stunden. Die Kanalisation der Stadt mündet immer noch im Hafen. Es gib da eine Ecke, die ist einfach unbeschreiblich.

13. 08. 81

Vor Buganker an die Außenseite des alten Club Nautico. Bei Essen in der Stadt gibt es Streit mit einem Wirt, dem wir, in Unkenntnis der Sitten, eine halbe Flasche Wein klauen, von der wir dachten sie sei schon bezahlt. Während unserer Abwesenheit schlägt das Boot mit dem QM gegen den Steg; einige Schrauben sind ab und das Rohr zum Hilfsruder ist verbogen. Vermutlich hat der Anker nachgegeben, obwohl ich ihn mit Maschinenkraft eingefahren hatte.

14. 08. 81

Von Ibiza nach Espalmador, Motor 1,0 Stunde, der "Geheimtyp" auf den Balearen aus Denhams Yachtführer. Eine Bucht wie eine Südseeinsel, mit weißem Strand und dichter grüner Vegetation dahinter. Nur - Denham war in den 50er Jahren hier. In der Bucht ankern 50 Yachten - alle mit Pumpklo. Der Strand ist mit meterhohen Müllbergen gesäumt und das eintönige Weiß des Sandstrandes ist mit schönen, schwarzen Teerklumpen aufgelockert. Täglich karren Ausflugsschiffe so um die 200 Badehungrige von Ibiza herüber. Die werden mit Paellas verköstigt, die in riesigen, mehr als einen Meter durchmessenden Pfannen zubereitet werden. Die Reste wandern in die Mülltonnen, abends sind 2 oder drei brusthohe Tonnen mit Reis gefüllt.

Eine große spanische Yacht beeindruckt mich, die unter Segel zwischen den vielen verankerten Booten hindurchkreuzt und ganz nahe am Strand vor Anker geht; später liegt sie sogar direkt am Strand, sie muss ein Schwert oder einen Hubkiel haben, den sie ganz zurückziehen kann.

16. 08. 81

Befestige die Ankerleine an einer Boje und fahre hinaus um die Bilge zu entleeren. immer wieder sammelt sich eine Mischung aus Seewasser und Öl, die in der flachen Bilge stinkend herumschwappt.

17. 08. 81

Von Espalmador nach Santa Eulalia an der Ostküste Ibizas, Motor 1 Stunden, eine schwüle Nacht. Robyn und ich kommen uns näher als geplant. Sie scheint ernsthafter Absichten in Bezug auf mich zu bekommen, was mich mit einer leichten Beklemmung erfüllt.

18. 08. 81

Von Santa Eulalia zu Isla Tagomago an der Nordostecke Ibizas, Motor 2,0 Stunden.

19. 08. 81

0910     Anker auf I. Tagomago, Kurs 058°, Wind 0, 1/8 bedeckt, Loggestand 273.4

1500     Motor aus

1845     Motor an

2145     ankern Palma di Mallorca, Motor 8 Stunden, insgesamt bisher 77 Stunden. Robyn fliegt von hier zurück nach England.

29. 08. 81

Mutter und Oskar kommen an. Mutter mit Reisehut – der Reisehut sieht aus wie ein uralter umgedrehter Papierkorb - und Stutzen. Sie mutet ihrem Oskar schon einiges zu. Sie bringen einen Weltempfänger mit, einen Sony ICF 2001. Das ist natürlich äußerster Luxus, ich bin begeistert.

30. 08.81

0915     ablegen vom Club Nautico in Palma

1145     Groß, Genua, Wind S 2 - 3 Beaufort

1530     Motor an

1600     ankern Cala Pi

Die Bucht ist unglaublich eng, steile Felsen zu beiden Seiten. Versuche Landleine auszubringen, was aber nicht funktioniert. Bringe statt dessen Bug und Heckanker aus. In der Nacht fängt ein anderes Boot an zu treiben und in der Folge Ankermanöver zu fahren. Es stößt gegen die Leine des Heckankers beschädigt aber nichts.

31. 08. 81

0900     Anker auf Cala Pi

0930     Groß, Genua

1200     Motor an

1415     ankern Porto Cabrera

Die Cabreras sind eine kleine Inselgruppe vor der Südspitze Mallorcas. Es handelt sich dabei eigentlich um militärisches Sperrgebiet, man darf nicht an Land, aber in der großen  Bucht, die einen sehr gut geschützten Naturhafen darstellt, ankern. Es gibt einen Steg und eine Kneipe, wo man ein Schnäpschen trinken kann und manchmal Brot kriegt. Das Wasser ist glasklar, beim Schnorcheln sieht man bunte Fische, Oktopusse und bunte Unterwasserpflanzen.

Wir bleiben drei Tage. Oskar fährt immer wieder rüber zum Steg auf ein Schnapserl. Das ist der Sommer des "Quarenta i Treize" – eines süßen organfarbigen Schnapses – "43". Auch deutsche Segler sind da – mit einer Hallberg-Rassy natürlich; ihrem Wortführer macht Segeln erst ab Windstärke 9 Spass. Oskar hat sich schnell mit den Soldaten angefreundet und bringt immer wieder etwas aus ihrer Küche. So eingesperrt auf dem Boot ist nicht ganz angenehm für ihn. Er fischt, wird aber von Mutter gehörig zusammengeputzt. Ganz verzweifelt versucht er die Fische wieder auszusetzen, doch einer hat es nicht überlebt und treibt Bauch oben davon.

04. 09 81

0900     Anker auf P. Cabrera. Groß, Genua, Wind NNE 1 bis 2 Beaufort, Kurs 357°

1900     ankern Porto Pedro auf der Ostseite von Mallorca

05. 09. 81

1330     Anker  auf P. Pedro. Üben Boje über Bord

1515     Ankern in Porto Colon, das ist ein bisschen weiter die Ostküste nach N. Motor 2,0 Stunden. Bleiben einen Tag in P. Colon.

07. 09. 81

1000     Anker auf P. Colon, Groß, Genua, Wind 1 Beaufort, Motor 0,5 Stunden, Loggestand 225.7 Segeln die ganze Nacht bei mäßigem Wind. Mutter und Oskar gehen Wache während ich schlafe. Einmal kommt ein Schiff recht nahe vorbei; es macht einen Höllenlärm.

08. 09. 81

0530     Motor an. Stehen an der Ostseite von Menorca

0630     ankern vor dem Club Nautico in Mahon, Motor 1,0 Stunden Logge 50 sm (275.4).

Verholen später in den hintersten Teil des Hafens, wo ich schon beim ersten Mal gelegen bin; drei Versuche bis der Anker in dem weichen Schlamm hält; Heckanker, Bug zur Straße. Als wir endlich fest sind und der Motor ausgeschaltet, meint Mutter, "Die Straße," (die an dem Liegeplatz vorbeiführt, um die Bucht herum und zu den Häusern und Dörfern nördlich von Mahon), "die Straße, die Autos - da ist auch noch ein Kanaldeckel, da werde ich nicht schlafen können."

Ich bin so froh an einem so guten und sicheren Platz gut verankert zu sein, dass ich ihre Anmerkung gar nicht zur Kenntnis nehme; "nicht einmal ignoriere" sozusagen (sie ist zu der Zeit besonders lärmempfindlich, hat ständig Krieg mit den Nachbarn, wegen ihrer Schwimmbeckenpumpe). Spät in der Nacht höre ich sie und Oskar herumrumoren. Am nächsten Tag erschrecke sogar ich ein wenig - Mutter hat eine fürchterliche Migräne bekommen und sieht erbärmlich aus.

In Mahon gibt es ein Reiterfest. Es hat einen feudalistischen Touch. Prächtig gewandete Caballeros reiten auf edlen Pferden in die Menge und verteilen mit Wein gefüllte Lederschläuche an das gemeine Volk. Oskars Größe bewährt sich, er sichert sich einen Weinschlauch.

10. 09. 81

0915     Anker auf; gehen zum Club Nautico um Diesel zu bunkern. Beim Ablegen kriege ich den Anker nicht hoch. Tauche mehrfach auf 13 m in dem trüben Wasser. Der Anker hat sich unter einer schweren, querlaufenden Kette verfangen. Meine Tauchleistung beeindruckt mich selbst, aber mein Ohr ist von da an sehr empfindlich. Ich bekomme eine Ohrentzündung, die ich mit Otriven (osä.) behandle und ich werde diesen und den nächsten Sommer nur sehr wenig Schnorcheln können.

1215     Motor aus

1400     Motor an

1530     ankern zum Baden in der Cala Escorxada. Ich bin immer ein bisschen beunruhigt, wenn das Schiff in der Dünung des offenen Meeres so auf und abschwankt.

1630     Anker auf und Motor an

1730     ankern Cala Macarella. Motor 5,5 Stunden. Wir haben nun einen Großteil der Südküste Menorcas abgefahren. In der Bucht gibt es einen Campingplatz und alte Höhlen, die früher von Mönchen bewohnt waren. Sie sind jetzt wieder bewohnt - von Hippies.

11. 09. 81

0715     Anker auf

1015     ankern in Ciudadela unter Schwierigkeiten. Ich kann in dem engen Schlauch kaum drehen. Von der Motorkontrolle springt eine Schraube ab. Ich muss den Motor abwürgen, die Kontrolle reparieren und das Manöver wiederholen. Dabei verliere ich meine Badehose, die an der Seereling angekluppt war. Motor 3 Stunden. Mutter und Oskar kaufen zwei gelb braun gestreifte Decken. Man liegt direkt an der Stadt vis-à-vis von Kaffees und Restaurants, sehr lebhaft.

12. 09. 81

1030     Anker auf Ciudadela, Logge 275.4

1130     Motor aus, Segel setzen

1545     Motor an

1930     ankern in der Cala San Vincente auf der Nordseite Mallorcas, kurz hinter dem Kap Formentor. Die Bucht ist kahl und ungemütlich. Motor 4,5 Stunden, Log 35 sm (310.2)

13. 09. 81

0830     Anker auf Cala San Vincente

1330     ankern Puerto de Soller. Bleiben einen Tag. Motor 5 Stunden.

15. 09. 81

0930     Anker auf. Flaute, schwache Dünung, wieder winzige fliegende Fische. Motor 5 Stunden bis der Anker niedergeht in Puerto de Andraitx.

Von Puerto de Andraitx als Stützpunkt machen wir einen Ausflug mit Mietauto nach Deja, Valdemosa und in die Cala Calobra. Bringe Mutter und Oskar nach Palma, wo wir im alten Club Nautico längsseits gehen. Am letzten Abend kaufen wir ein fertig gebratenes Huhn, das wir an Bord essen. Mutter bekommt eine Magenverstimmung.

***

Ein paar Tage später kommt Monika zu Besuch. Ich erzähle ihr die Geschichte mit Robyn, was sie gar nicht gut aufnimmt. Ich verstehe, dass sie es lieber nicht gewusst hätte, aber das geht einfach nicht, ich hätte das Gefühl, ich würde sie die ganze Zeit anlügen.

Wir gehen zuerst nach Puerto de Andraitx, dann nach Cabrera. Schon nach einer Woche muss ich sie nach Palma zurückbringen. Dort widerfährt uns etwas, das sonst nur in Filmen und Büchern vorkommt. Zum Glück ist der Verlauf der Geschichte nicht ganz so dramatisch, wie normalerweise in der Literatur.

Als ich Monika auf den Flugplatz bringe, entdecke ich in der Wartehalle ihren Mann Toni. Zum Glück entdeckt er mich nicht. Monika geht zum Flugzeug und tut so als ob sie von seinem Hiersein nichts wisse. Später erfahre ich am Telefon, dass er nicht in ihrem Flugzeug war und dass er ihr von seinem Abstecher nach Mallorca auch nichts erzählt hat.

Ich dagegen kehre zum Schiff zurück und bin den ganzen Abend sehr nervös. Meine Phantasie gaukelt mir einen finsteren Ehemann vor, der mit Bohrern bewaffnet um das Boot rudert.

14. 10. 81

1400     Anker auf Palma di Mallorca

1430     Groß, Fock, Motor aus, Wind SW 3 bis 4 Beaufort, KK 160° kreuzen

1640     Motor an

2110     ankern Puerto de Andraitx. Motor 5 Stunden

Diese Woche herrscht strahlend schönes Wetter, keine Wolke am Himmel, kein Windhauch und ein goldenes Licht. Eine herbstliche Ruhe umfängt die Inseln, alles wird still und friedlich. Man sitzt nur da ohne etwas zu tun und lässt die Stille wirken. Das ist nicht die Sommersonne, die auf einen hinunter brennt, sondern ein goldener Lichtraum, der einen durchdringt, oder besser gesagt, der an den Grenzen des Körpers nicht aufhört. Peter und Margret von "Pemar" sind auch da. Sie kennen eine neue Marina am Festland bei Almeria, die sich gut zum Überwintern eignen soll.

17. 10. 81

0940     Anker auf Puerto de Andraitx, Logge 10.3

1020     Motor aus, RWK 226°, KK 235°

1500     Log 12 sm (22.3)

1800     Log 6 sm (28.0)

2140     Isla Tagomago gesichtet

18. 10. 81

Der Wind ist meistens leicht und immer von vorne

1348     Kap Berberia (Südspitze Formenteras Kompasspeilung 291°, RWK 188°, KK 195°, Log 42 sm (70.4)

1832     Motor an

1930     Motor aus, RWK 183°, KK 190°, Log 16 sm (86.2)

2100     plötzliche Sturmböen

Ich habe mich gerade hingelegt und döse vor mich hin als der Wind plötzlich stark zulegt. Ich stürze erschrocken an Deck. Am nachtdunklen Horizont sehe ich einen breiten weißen Streifen. "Heizari" liegt weit über. Ich bilde mir ein, der weiße Streifen wäre die Flutwelle eines Seebebens. Ich weiß zu dem Zeitpunkt nicht, dass solche Wellen über tiefem Wasser nicht brechen und für Schiffe auf offener See relativ ungefährlich sind. Panik übermannt mich. Ich stürze ohne Sicherheitsgurt nach vorne und reisse die Genua herunter. Bei dem Wind ist das große Segel kaum zu bändigen. Auch unter dem bloßen Großsegel prescht das Boot mit fünf Knoten durch das Wasser. Als ich  ins Cockpit zurückkomme zittere ich am ganzen Körper.

Nach einer Stunde ist der Zauber vorbei. Eine kleine Front ist durchgezogen. Der Wind legt sich, der weiße Streifen ist verschwunden - ich werde ihn nie befriedigend erklären können, vermutlich waren es Wolken.

19. 10. 81

1321     Motor an, RWK 237°, KK 240°, Log 13 sm (99.0)

1520     Motor aus, 2 Stunden

Auf dieser Überfahrt sehe ich oft kleine Zugvögel in Schwärmen von 5 bis 10 Tieren tief über dem Wasser nach Norden ziehen. Einer bleibt einen Tag bei mir, versteckt unter dem am Kajütdach festgezurrtem Dinghy. Ich füttere ihn mit Keks und Süßwasser. Hin und wieder tauchen Schwärme einer kleineren Delphinart auf.

20. 10. 81

1000     Motor an

1300     Motor aus, 3 Stunden, Flaute, beidrehen zum Schlafen

1500     Brise aus Südosten, setze Groß und  Genua, Log 63 sm (152.6) RWK 240°, KK 240° (gehe davon aus, dass sich Missweisung und Abdrift aufheben)

21. 10. 81

1300     Motor an

1500     Motor aus, setze Groß und Fock, RWK/KK 245°

Gegen Abend wird der Wind immer stärker. Der Himmel ist bedeckt. In der Nacht wächst sich das ganze zu einem handfesten Sturm mit Gewitter aus. Es donnert und blitzt. Die Donnerschläge krachen hell und scharf, unaufhörlich zerreißen Blitze das Dunkel der Nacht. Es hört sich an, als ob die Blitze links und rechts vom Schiff ins Wasser einschlügen. Dichter Regen prasselt nieder und dämpft zeitweise den Seegang. Unter Sturmfock laufe ich vor dem Wind 5 bis 6 Knoten. Als der Wind noch stärker wird, hole ich die Sturmfock nieder und stopfe sie in den Bugkorb. Nur mit dem Winddruck auf Rigg und Bugkorb braust das Schiff wie ein Eilzug dahin. Der QM arbeitet gut, trotzdem giert das Boot bis zu 20° nach beiden Seiten. Zeitweise döse ich auf der Matratze am Kajütboden, unter mir schwappt das Bilgenwasser hin und her. Meistens sitze ich draußen und fürchte mich. Mein ganzer Körper ist verspannt vor Angst und Sorge. Ich nähere mich dem Land. Welche Taktik soll ich anwenden, wenn der Sturm anhält, um nicht an eine Leeküste geworfen zu werden? Spät in der zweiten Nachthälfte tauchen Positionslichter auf - ich nähere mich Schiffahrtslinien.

Doch der Sturm hält nicht an. Der Regen hört auf, ich kann ein Leuchtfeuer ausmachen, die Peilung bestätigt meine Koppelnavigation.

22. 10. 81

Am Morgen gelange ich unter Land. Ich setze Fock und gerefftes Groß. So überhole ich eine Alpha 9.50, die noch unter Sturmfock dahin dümpelt, im Cockpit drängen sich drei Leute und schauen miserabel drein. 

Der Wind flaut ab, ein leichter Nieselregen setzt ein.

1000     Motor an

1100     längsseits an ein Fischerboot im alten Fischerhafen Santa Lucia von Cartagena. Log seit Mallorca 220 sm.

In meiner Nähe liegt ein orange-blauer Wharram Katamaran. Er gehört einem jungen Paar aus Graz; es sind Lehrer. Haben das Boot in drei Jahren selber gebaut und wollen damit in die Karibik. Sie beneiden mich um den großen Lebensraum auf "Heizari". Ich befinde mich nach den Anstrengungen der letzten Tage in einer Art Schwebezustand, gehe herum wie ein Traummännlein und bin überglücklich im geschützten Hafen zu sein.

Cartagena ist eine eigenartige Stadt - rundherum Felsenwüste, Industrie, alte, fleckige Häuser - eine grandiose Hässlichkeit. Der Hauptplatz (oder jedenfalls einer der größeren Plätze) ist mit haushohen Gummibäumen umstanden.

24. 10. 81

0810     Leinen los Cartagena

0850     Motor aus, Groß, Genua gesetzt RWK 253°, KK 260°

1700     ankern in Aguilas, Motor 0,5 Stunden, er nagelt.

25. 10. 81

0900     Anker auf Aguilas

0940     Groß, Genua, Wind SW 1 - 2 Beaufort,

Als ich mich dem Kap Gata nähere, nimmt  der Wind auf 4 bis 5 Beaufort zu, aus dem Norden, vom den Bergen des Kaps stürzen sich Fallböen herab. Das Kap gilt als Wetterscheide - es ist jedenfalls unfreundlich. Ich drehe ab und segle zurück nach Garrucha.

2030     ankern in Garrucha, Motor 1 Stunde.

26. 10. 81

0810     Anker auf Garrucha

0840     Groß, Genua

1215     bis 1315 unter Motor

27. 10. 81

0830     Motor an

1130     festmachen in der Marina Almerimar, westlich von Almeria; Motor insgesamt 144,0 Stunden seit dem letzten Ölwechsel

In Almerimar treffe ich Peter und Margret wieder. Ich bleibe noch einige Tage. Fahre dann mit dem Bus nach Barcelona und von dort mit dem Zug über Mailand heim.