Do 07. bis Do 14. 08. 1997
Ungarn 1997
Donnerstag 7. August 1997
Aufbruch 0755. Wir tanken beim Strandbad, kaufen Filme und Jause beim Billa. Dann auf die Südautobahn Richtung Wien. Wir haben noch drüber diskutiert, ob wir über Laxenburg oder die Südosttangente fahren sollen. Jetzt ist es doch die Tangente; viel Verkehr aber kein Stau. Um 0930 sind wir am Grenzübergang Nickelsdorf / Hegyeshalom; kein Grenzaufenthalt, bisher 106 km gefahren. Wir wechseln öS 3'000 gegen rund 43'000 Forint, dh. 1000 Forint sind rund 70 öS.
Gleich nach der Grenze viel Gegend. Nach Györ zieht die Autobahn durch hügeliges, dicht bewaldetes und wenig besiedeltes Land. Felder wechseln mit naturbelassenen "Gstetten" ab - sehr viel Wildblumen und Sträucher. Bis auf Mais und Sonneblumen sind die Felder schon abgeerntet.
Wir haben beide das leichte Unbehagen der Fremde, nicht richtig Angst, aber auch keine Urlaubseuphorie. Maut 1500 Forint kurz nach der Grenze (dann keine mehr). Jause nach Tatabanya auf einer Pihenöhely gegen 1030. Wetter schön, Luft kühl, Sonne heiß.
Um 1115 sind wir in Budapest, Außenring West. Strafmandat wegen falschen Einreihens (unglaubliches Arschloch, das Touristen abkassiert, die in einer fremden Stadt herumirren; außerdem wollte der korrupte Drecksack zuerst gar keinen Beleg für die 1000 Forint hergeben).
Verlassen in Budpest die M1 und fahren auf der M11 entlang der Donau nordwärts. Zuerst an Sentendre vorbei. Um 1200 halten wir bei einer Gast-stätte direkt an der Donau; Paprikaschoten im Gebälk, eingelegte Essiggurken am Fenstersims. Hier ist die Donau von der Sentendre-Sziget (-Insel) in einen westlichen und östlichen Arm geteilt. Eine Fähre führt auf die Insel. Sie verkehrt ständig (jedesmal vier, fünf Autos, Radler). Wir trinken Bier und schauen kurz zum Flussufer - gatschiger Sandboden und Gelsen, alles sehr naturbelassen.
Dann (1300) 5 km zurück nach Sentendre. Schattenparkplatz am Duna-Korzo, Spaziergang an der Uferpromenade und zum Flussufer; - frei zugängig, oder auch nicht, weil gatschig. Ein blaues Schiff steht auf der Wiese, ein Eissalon. Dann durch die malerische Gassen der Stadt. Stickereien und Schnickschnack überall - manches recht geschmackvoll (zB. die Blaudrucke). In einer Antiquitätenhandlung sehen wir verschiedene preiswerte Luster. Es gibt Herend-Porzellan und schöne Kristallgläser. 1400 Mittagessen in einem Promenadenrestaurant. Kalbspörkölt, Spieß, Salat, Bier, Brot, Kaffee, - alles sehr gut.
Bereits um 1500 befinden wir uns in einem wundervollen Zimmer mit Bad, WC, TV, Minibar, Klimaanlage (wird vom Rezeptionisten mit einer Fernbe-dienung nach Wunsch eingestellt). Es gibt einen gedeckten Parkplatz und ein großes Schwimmbecken. Das Hotel, "Duna Club" liegt direkt am Fluss. - Duschen und Siesta.
Um 1800 Fotorundgang durch den Ort. Von einer der Kirchen (Standeln wer-den gerade aufgebaut; es gibt einen Bogenschießstand) hat man einen schönen Bick auf den Ort und zur Donau. Schmale Gassen mit welligem Kopfsteinpflaster, ein Garten mit blühenden Granatsträuchern und früchte-tragenden Kiwistauden. Am Hauptplatz Cola und Wein. Hinter dem Kirchturm zieht sich ein schwarzes Wolkengebräu zusammen, es sieht sehr nach Ge-witter aus. Wir sitzten am Sprung, wissen nicht so recht, ob wir gehen oder bleiben sollen. Dabei beobachten wir die vorbeigehenden Leute, manche in eleganten Abendkleidern (Theater oder Hochzeit?), etliche mit Blumenbou-quets. Mit Fortschreiten der Dämmerung werden die Gelsen immer lästiger, aber das Gewitter verzieht sich ohne zum Ausbruch zu kommen. Plötzlich ist die Spannung in der Luft weg. Wir kehren ins Hotel zurück.
Das Hochwasser der Donau ist beträchtlich gewesen. Man sieht es an Schlammspuren an den Bäumen, die bis zu 2 m im Wasser gestanden haben müssen. Das Hotel ist allerdings so gebaut, dass das Wasser zuerst über den Uferdamm treten würde (auf dem die Straße verläuft) bevor es die Räume des Hotels erreichen könnte.
Wir rufen noch Julia beim Heurigen in Traiskirchen an, weil wir vergessen haben, ihr von unserer Reise Bescheid zu geben.
Freitag 8. August 1997
Die Klimaanlage hätten wir nicht gebraucht, sie wirkt nur schlafstörend. An-gesichts der Mücken haben wir aber nicht ordentlich lüften können. Frühstück, Hotel bezahlt mit Kreditkarte 15'700 Forint, das sind ca. 1'100 öS (das wird auf der Reise die bei weitem teuerste Übernachtung sein; in Hortobagy werden wir für dasselbe Geld viermal übernachten). Um 0830 machen wir uns auf den Weg. Wir nehmen nun doch nicht die Donaufähre bei Vac. Hermann verzichtet mir zuliebe. Wir fahren in Budapest über die Arpad-Hid. (H.: Im Verkehrsgewühl von Budapest tut es mir leid, in den wenig attraktiven Außenbezirken herumzugurken statt die Donau und ihre Ufer von der Fähre aus zu erleben). Wir kommen jetzt auf die M3, die nach Nordosten in Richtung Miskolc führt. Rund 80 km bis Gyöngyös ist sie als Autobahn ausgebaut, danach als Schnellstraße. Wir passieren den Hungaroring, auf dem morgen ein Grand Prix stattfinden wird (später werden wir erfahren, dass Villeneuve gewonnen hat). Eine Spur ist bereits abgetrennt, auf der die Grand Prix Besucher auf die Parkplätze geleitet werden sollen.
Auch hier ist die landschaft nicht zersiedelt. Es gibt Landwirtschaft und da-zwischen immer noch erstaunlich viel "Gegend". Überall Mais und Sonnenblumenfelder. Noch auf der Autobahn bei Olmozathan füllen wir unseren Tank, sicherheitshalber, weil wir nicht wissen, ob wir überall bleifreies Benzin erhalten werden (wir werden). Auf der Schnellstraße kommen uns große Pulks von holländischen Wohnwagengespannen entgegen - vermutlich auf dem Heimweg. In unsere Richtung wenig Verkehr.
In Füzesabony, 100 km von Budapest, verlassen wir die M3 und biegen nach Südosten auf die M33. Die dunstverschleierten Bergrücken, die wir zu unserer Linken gesehen haben, verschwinden. Jetzt geht es in die Ebene. Die Straße ist schmal, die Dörfer malerisch. Breite Grünstreifen vor den Häusern, viele bunte Blumen. Vereinzelte Pferdefuhrwerke, hoch mit Heu beladen, machen das Überholen schwierig. Sogar ein Tabakfeld sehen wir. Hermann betrachtet es kritisch weil die Pflanzen nicht abgewipfelt sind. Nach 0 km erreichen wir das Auengebiet der Theiß. Ein kilometerlanger Damm und verschieden Brücken führen darüber hinweg. Auwälder, Schilf und riesige mit seerosenähnlichen Wasserpflanzen bestandene Flächen breiten sich um uns aus. Fotostop. Ein Deutscher aus Mainz plaudert mit uns, er hat ein Ferien-domizil in St. Johann i. T., alleinereisend ist er ziemlich gesprächshungrig.
Weiter geht es nach Tiszafüred. Eine Runde durch den Ort, dann finde wir das Bad, in dem ich mit Hans und den Kindern vor 15 Jahren gebadet habe. Wir dürfen kurz hineinschauen - gratis. Es hat sich verändert. Mehr Bäume, Rasenflächen, Leute, Buffets und keine alten alten Frauen mit schwarzen Schürzen mehr in dem braunen Wasser.
Dann machen wir noch einen Abstecher ans Theißufer. Wo einst auf einer großen Wiese der Campingplatz war, ist eine Art Neusiedlerseeidylle ent-standen - Standeln, Restaurants, WC-Anlagen, richtige Campingplätze, Bootsverleih ... Aber nicht eingezäunt. Das Ufer ist noch frei zugängig, man hat noch Platz genug und kann seinen eigenen, einsamen Badeplatz finden, falls man in dem trüben, schlammigen Wasser überhaupt baden will. Nach einer Erfrischung, Cola und Bier um sagenhafte 12 öS, fahren wir so ca. um 1230 weiter, - weiter in unser Zielgebiet die Hortobagy Puszta.
Nach 40 km erreichen wir die neunbogige Brücke über den Hortoba-Fluss und links dahinter die Hortobagy Nagy Csarda, die Große Hortobager Csarda. Rechts von der Straße ein Museum, eine Touristinformation, Kioske, Standln, Autos und Leute, Leute, Leute. Ich bin enttäuscht. Habe ich doch gehofft, dass Hermann hier das findet, wovon er schwärmt, Naturlandschaft, bewohnt aber nicht zerstört. Schön langsam begreife ich seinen Zorn über das Breitmachen der Menschen. Er trägt es gelassener als diesmal.
Am Parplatz (60 Ft.) spricht uns ein Mädchen (Parkplatzkassier) an, ob wir ein Privatzimmer möchten. Zuerst schauen wir uns die Hortobagy Fogado (Herberge) an, wo wir telefonisch für zwei Nächte vorbestellt haben. Gefällt uns nicht, daher nehmen wir das Zimmer (Familie Pente Zoltan). Barbara, die Tochter des Hauses führt uns hin. Ein kleines Haus im hinteren Teil eines länglichen Gartens. Blumen, besonders viele Kana, Paprika, Paradeiser, Knoblauch, ein kleiner Nussbaum, Kriecherl, etc, ein Hund, zwei Enten. Vor-ne, links vom Tor wird gerade eine Hausruine ausgebessert, möglicherweise das alte Bauernhäuschen. Der Mann, bärtig, langhaarig, schweigsam und ein zweiter arbeiten daran herum; für uns wirkt die Bauarbeit eher dilletantisch.
Wir werden von der Großmutter begrüßt. Das Zimmer liegt unterm Dach mit zwei schrägen Dachfenstern. Das hellblau geflieste Bad ist sauber und ge-räumig. Das Zimmer ist einfach (es dürfte das des etwa 15jährigen Sohnes sein) aber ebenfalls sauber. Es gibt ein ausgezogenens Doppelbett, eine Couch, einen Schrank und einen schmalen Schreibtisch unter einem der Fenster. Es wird sich herausstellen, dass die zwei einander gegenüberlie-genden Fenster eine wunderbare Klimaanlage darstellen. Wir erfahren, dass ein zweites Zimmer ebenfalls vermietet ist. Nach ein paar Momenten der Überlegung nehmen wir das Zimmer.
Nun werden wir zur Begüßung mit einem "klein, kalt, Wein" begrüßt. Es ist ein süßer Eger-Wein, der uns trotzdem sehr gut schmeckt. Die Großmutter kommt aus Polen und macht hier "Urlaub". Bei unserer Ankunft war sie gerade beim Einlegen von Salzgurken; es riecht stark nach Knoblauch. Großmutter und Enkel sprechen gut Deutsch, Mutter und Tochter gebrochen, der Mann fast gar nicht.
Verspätetes Mittagessen in der Csarda, Hortobagy palatsinta (Fleischpalat-schinken), Kotelette. Siesta. Am Abend Rekognoszieren wegen Kutschenfahrt in den Weiler Mata und zum Epona-Hotel; wir finden den Hof, den die Wirtsleute uns beschrieben haben nicht, aber nehmen an, dass es sich um den ersten Hof W-Seite der Brücke handelt. Nachher zur Kardacsi Csarda, 12 km Richtung Debrecen, Baratzk, Mineralwasser. Kleines Abendessen wieder in der Hortoba Csarda, Topfenfleckerl (salzig, mit Speck), Topfenpa-latschinken, Wein (Eger Stierblut, anders als der Name vermuten läßt ist der Wein nicht schwer).
Samstag 9. August 1997
Gut geschlafen; in der Nacht ist es recht kühl geworden. Wir werden von krä-henden Hähnen und gackernden Hühnern geweckt. Nur das Hundegebell eines keifenden kleinen Nachbarköters geht einem wirklich auf die Nerven. Zum Frühstück gibt es Letscho mit Ei, Powidl, Butter, Brot, Kaffee.
Nach dem Frühstück machen wir uns auf zum Bauernhof jenseits der Brücke. Wir wollen nicht das Pusztaprogramm des Epona-Hotels mitmachen sondern mehr etwas eigenes. ZB. eine Kutsche für uns Zwei mieten. Das geht auch. Wir müssen ein bischen warten, dann wird ein überdachter Wagen angespannt. Unser Kutscher, ein kleiner, dunkler Mann spricht kein Wort Deutsch, aber er ist sehr freundlich. Mit der Zeit bekommen wir mit, dass er uns zu all den Stationen führt, die in den Pusztaprogrammen enthalten sind: in einem schmutzstarrendem Koben treffen wir wie Pudel gelockte Wollschweine an. In einem riesigen Stall, einem schilfgedecktem Langhaus, das nur aus den schrägen Flächen des Dachsattels besteht, sind hunderte Zackelschafe mit ihren gedrehten Hörnern untergebracht. Wir sehen schwarze Wasserbüffel, mit ihrem wulstigen Hornansatz und fasrigen Backenbärten. Ein Csiko treibt eine Pferdeherde an uns vorbei und zum Schluß kommen wir zu einer Graurinderherde mit mächtigen, hochaufragenden Hörnern. Dabei bewegt man sich auf ausgefahrenen Wegen mit Glasen und Schlammlöchern. Ich darf auch kutschieren und nach einiger Zeit bekomme ich das ganz gut hin. Die zwei Pferde reagieren sehr wohl auf die Zügel und es gelingt mir die ärgsten Schlaglöcher zu umfahren. Die zwei Stunden vergehen wie im Flug; gegen 1300 langen wir wieder im Stall an. Zum Mittagessen fahren wir in die Kardacsi Csarda; gemischte Fleischplatte, Schmorbraten (auch so eine Art Gulasch) - nicht herausragend aber in Ordnung.
Nach dem Essen begeben wir uns auf eine Endeckungsfahrt in den Süden des Parks (etwa 600 qkm der Hortobagy Puszta sind Naturpark). Wir durch-queren Nadudvar eine weitläufigen Ort, der sogar mit einem Strandbad auf-warten kann (trotz seiner Ausdehnung aber nur ein Bauernnest, das aus-schließlich aus sehr einfachen, niedrigen Häusern besteht). Felder werden gerade geerntet, Stroh und Heu aufgeladen, manchmal auch noch auf Pfer-dewagen. Ein mit Kukuruz vollbeladener Lastwagen kommt uns entgegen; er verliert immer wieder ein paar Kolben; schade drum.
Wir wollen über eine Ort namens Mihalyhalma eine Rundfahrt machen, die uns schließlich wieder nach Hortobagy bringen soll. Bei ein paar herunterge-kommen Häusern, die wohl einmal zu einem Kombinat gehört haben, ist die Straße jedoch zu Ende. Von einem Arbeiter, den wir auf einer der verlassenen Rampen endecken, erfahren wir, dass wir in Mihalyhalma sind und dass "Nem ut" - keine Straße weitführt. Unsere Karte ist falsch, die Straße nicht durchgehend. Den Feldweg wollen wir unserem Auto jedoch nicht zumuten, daher drehen wir um.
Hier draußen ist es ruhig, kein ewiges Brummen in der Luft. Wir halten um die Stille zu hören. Das Lauteste sind die Hummeln.
Auf der Rückfahrt sammeln wir die Maiskolben auf. In unserem Quartier überreichen wir der Oma ein Netz voll davon, "Oh, haben wir auch, haben wir auch. Muss ich sofort kochen!" Anscheinend ist sie am Kuchenbacken, das ganze Haus duftet köstlich nach Germ. Kurze Siesta.
Abends werden wir in die Küche gebeten. Wir haben inzwischen auch die Deutschen kennen gelernt, die das andere Zimmer bewohnen. Es sind Bayern aus der Gegend um Ingoldstadt. Er ist ein mächtiger Kerl, schwarz wie ein Ungar, ein paar Jahre älter wir. "Johnny Ringo" ist sein Künstlername, er ist Country-Sänger. Seine Frau ist nicht besonders hübsch. Hinter dicken Brillen, die die Augen ganz groß machen, schaut sie ein bischen dumm drein, aber sie hat eine gute Figur. Sie sind beide sehr freundliche, unkomplizierte Leute. Es ist schon ihr zweiter Aufenthalt in dem Haus. Von den Wirtsleuten werden sie geradezu verehrt. Sie sind ganz in das Familienleben integriert. Besonders der etwas weibische Junge hängt sehr an dem Deutschen. Der Hausherr, der mit seinen ungepflegten Haaren und dem eigenartigen weißblonden Bart wie ein Gnom wirkt, scheint in der Familie die Gamma-Rolle zu spielen. Er dürfte der Großmutter, die vermutlich aus einem "besseren" Haus stammt, sie hatte ein deutsches Kindermädchen, wohl nicht gut genug gewesen sein.
Die Deutschen sind mit einem riesigen BMW-Motorrad hier und ein guter Teil der Gespräche dreht sich um ihre Erlebnisse mit der Motorradfahrerei.
Ab 2000 findet in der Csarda ein Folkloreabend statt. Die Hausfrau hat für ihre Gäste, die Deutschen und uns, einen Tisch reserviert; glücklicherweise, sonst hätten wir sicher keinen Platz gekriegt. Die Darsteller des Programms stammen aus einem Debrecener Theater. Es gibt zwei Tänzer, beide etwas schwuchtelhaft, zwei sehr wenig attraktiven Tänzerinnen und einem Sänger mit guter Stimme, allerdings dem Äußeren einer langen, labberigen Wurst. Die Tanzvorführungen haben ein Atemberaubendes Tempo. Besonders schön ist es wie mit zwei Löfeln der Rhythmus in der Art von Kastagnetten geschlagen wird. Als der Sänger das Publikum dazu aufforder, tanzen wir einen Walzer; allerdings bleiben wir die einzigen, sonst scheint sich das niemand zu trauen. Zum Abschluss ein Kettentanz aller Gäste durch das Lokal - wie Hermann das genossen haben muss! Nachmittags und abends Gewitter. Es regnet ganz schön viel.
Sonntag 10. August 1997
Wieder bestens geruht. Hahnengeschrei. Frühstück heute mit Wurst und Leberstreichwurst - sehr gut. Heute machen wir ein Pusztaprogramm mit. Nach einer langweiligen Diaschau im Touristinfo-Rundummel visavis der Csarda fahren wir 7 km Richtung Debrecen; dort ist Abfahrt. Vier Wagen stehen bereit und werden nach und nach gefüllt. Holperwege und Stationen wie gestern, aber mit deutschsprachiger Begleiterin. Zackelschafe, Wasser-büffel. Heute stehen auf den Wegen überall Wasserpfützen. Einige Gäste werden mit Schlamm bespritz als der nachfolgende Wagen zu dicht auffährt und die Pferde stolpern. Unser Kutscher fährt ganz gut, obwohl auch er kein Schlagloch auslässt.
Nach den Schafen gehts zur Graurindherde. Ungarisches Graurind heißt die Rasse, wurden von den Vorfahren nach Europa gebracht, bekommen nicht jedes Jahr Junge. Es gibt in dieser Puszta ca. 90 Stück aufgeteilt auf drei Herden mit je einem Stier. Am Balaton stehen auch noch an die 30 Rinder. Es handelt sich um eine geschützte Tierart. Bestimmte Grassorten der hiesigen, alkalihaltigen Böden werden nur von ihr gefressen. Sie geben wenig (4 bis 5 l) Milch, aber gutes Fleisch. Diese Tiere haben riesige Hörner, besonders einer der Ochsen. Der Stier hingegen - selbst sehr mächtig - hat nicht so lange Hörner. Er steht mitten im Schlamm und dreckt sich ein - vielleicht ein Brunftritual a la Elch (?). Die Herden halten sich vorzugsweise in der Nähe von Brunnen auf, wo sie getränkt werden.
Dann geht es weiter zu einer kleine (50 Stück) Pferdeherde. Es handelt sich um Nonius-Pferde. Die Rasse gibt es seit Anfang des 19. Jahrhunderts; sie kommen hauptsächlich in Österreich und Ungarn vor. Die Anzahl der Pferde in der Puszta ist beschränkt; zuviele würden den Boden kaputt machen. 3 Csiskos sind dabei. Es gibt eine Vorführung. Zuvor erklärt die Reisebegleite-rin, die Besonderheiten der lokalen Reittechnik. Sie stammt von den Heidu-ken. Es gibt gar keinen richtigen Sattel sondern nur eine Art Auflage mit Steigbügeln, die aber nicht am Pferd angegurtet ist. Die Tiere liegen und sitzen ganz ruhig, die Csiskos stehen darauf und knallen mit den langen Le-derpeitsche. Damit habe man die Pferde an Pistolenschüsse gewöhnt. Ab-schließend werden ein paar Gäste auf die Pferde gesetzt und im Kreis geführt. Zurück am Ausgangspunkt verteilt der Kutsche kleine Sträuße blauer Blumen an die Damen; er wird mit einem Trinkgeld bedacht. Zum Abschluss besichtigen wir noch eine Ausstellung schwarzer Keramik.
Es ist Mittag und wir sind hungrig. Über Osten und Norden fahren wir zur Kis Hortobagy Czarda (kis = klein). Sie liegt ebenfalls am Hortoba-Fluss. Durch die Puszta sind es rund 15 km von der großen zur kleinen Csarda (die gar nicht kleiner ist und die Preise sind höher, wenn auch unbedeutend), mit dem Auto sind es 35. Wir nehmen Fischsuppe (nicht besonders), gebackene Le-ber, Pustabraten, Salat. Während wir auf das Essen warten bricht eine große Reitertruppe auf. Sie sind ein bischen laut und aufdringlich; möglich dass sie vom Epona-Hotel her kommen, die Distanz würde passen, aber natürlich wissen wir es nicht.
Aus dem Hintergrund des Gasthausgartens leuchtet ein Schild hervor, "Spazieren" mit einem Pfeil. Der Wirt meint, wir sollen seine Stallungen, seine Schweine und Zackelschafe anschauen. Also marschieren wir los. Wir finden verschiedene nette Schweine, eines sieht wie eine Wildsau aus, sie hat ge-streifte Junge, die pfiffig herumwuseln. Von den Zackelschafen finden wir nichts und die Ställe sind unbenutzt außer jenen für zwei Kutschpferde. Der Aupfad gabelt sich. Wir kommen in die Puszta hinaus. Ein kleiner brauner Frosch erschreckt mich, eine Eidechse huscht davon, Gras und Büsche so-weit das Auge reicht, In der Ferne ein typisches, niedriges, schilfgedecktes "Langhaus", ein Schafstall vermutlich. Es ist heiß, aber der ständige Wind macht die Hitze erträglich und uns müde. Wir gehen zurück und zum Fluss; ein wackeliger Holzsteg führt durchs Schilf, sein vorderer Teil ist im Wasser versunken; was für eine unbeschreiblich träge, veralgte Surche!
Ein fast leerer Campingplatz gehört auch zur Csarda. Wir glauben, dass das Geschäft nicht ganz so gut geht wie's der Wirt gern hätte. Alles konzentriert sich in Hortobagy.
Wir fahren weiter nach Westen. Links und rechts der Straße erstreckt sich die Puszta bis zum Horizont. Nach Tiszacsege fahren wir zwischen Eisen-bahnschienen und einer Pappelallee. Am Straßenrand geparkte Autos, ein improvisiertes Pappschild, "Lovaspalya" oder so ähnlich. Wir gehen durch ein kleines Wäldchen und kommen auf eine große, freie Wiese. Luftburg, Standln, Getränkezelt, Pferdetransporter, Kind und Kegel - lauter Ungarn. Ein Springreiterwettbewerb. Es scheint als ob wir gerade zur Preisverleihung zurecht kommen. Der Parcours wird bereits abgebaut (oder umgebaut?). Auf der Ladefläche eines Lastwagens ein langer Tisch mit der Jury. Der dicke Mann in der Mitte macht die Ansage mit der Routine eines geübten Con-ferenciers, dazwischen wird die Musik dezent lauter gedreht. Kokkarden und Pokale werden vergeben, dann ein Ehrengaplopp der Sieger außen um den Parcours - Kavallerie- und Radetzkymarsch dazu.
Nach einem Abstecher durch Nagymajor (natschmajor), wieder Sackgasse, durchqueren wir die westlichen Ausläufer der Hortobagy Puszta. Vorbei an riesigen, künstlichen Fischteichen, Schilfwäldern und einer Alkalipfanne mit ihrer eigenartigen Vegetation kommen wir auf die M33 die Hauptstraße, die von Tiszafüred her über Hortoba nach Debrecen läuft. Schließlich erreichen wir Hortoba und unser kühles Zimmer.
Inzwischen sind ganze Scharen von Verwandten eingetroffen. Der andere Soh der Oma, aus Polen, mit Frau, Schwiegermutter und unzähligen Kindern verschiedenen Alters. Dunkeläugige Mädchen stehen wie bemalte Tonfiguren herum, ohne eine Miene zu verziehen. Der Kleine ist etwas lebhafter. Auch die Oma scheint den Überblick über die Familie verloren zu haben. Ob die karnickelhafte Kinderschar einen inneren Zusammenhang mit den katho-lischen Pahmphleten in der seltsamen Ledertasche im ersten Stock hat?
Wir begeben uns zur Ruhe. So gegen 1930 gehen wir zum Abendessen; Bauernteller (Wurst und Käse), Topfenstrudel (unbeschreiblich köstlich), Bier, Baratzk, Zigaretten. Unsere Tischnachbarn sind sehr nette Franzosen, mit denen wir uns erstaunlich gut verständigen können. Sie stammen aus der Gegend von Nancy, sind sehr vielseitig interessiert und wissen besonders viel von Porzellan und Glas. Sie erzählen von einer Galsmanufaktur in Lothringen von denen eine winziges Wodkaglas angeblich 28'000 öS kostet (Baccarat?) und einer anderen Rennomiermarke (Dome?), die va. in Rumänien gefälscht wird.
Montag 11. August 1997
Die Bayern reisen heute früh ab. Danach Frühstück, Colbasze Würsteln und übliches, rumtrödeln. Um 1100 habe ich eine halbe Reitstunde. Die Zeit bis dahin verbringen wir bei einem Getränk in der Csarda. Die Gegend um die Brücke ist sehr belebt. Es wird gegraben und gearbeitet, wohin man schaut.
Das Reiten geht ganz gut, ermüdet mich aber zu meiner Überraschung ziem-lich schnell. (Früher konnte ich gar nicht genug kriegen). Hermann übernimmt den Rest der Zeit. Sieht gut aus auf dem Ross und reitet viel besser, als er gesagt hat.
Mittagessen schon um 1200, das braucht man nach der Anstrengung! Entenkeule, gedünstetes Kraut, Erdäpfelpürree, gebackener Karpfen, Kartoffel, Salat, Getränke. Wir sind gerade ferig mit dem Essen, da kommen die Franzosen von gestern von einer Kutschfahrt zurück. Wir plaudern noch ein wenig, dann gehen wir.
Ruhepause. Um 1700 reiten wir mit einem Führer in die Puszta. Unsere Waden sind jetzt schon ganz rot (blau, grün) von den Steigbügelriemen; Reithosen und Stiefel sind doch nicht so schlecht. Es zieht wieder ein Gewitter auf und einige dicke Regentropfen klatschen auf die Windschutzscheibe während wir zu dem Hof fahren. Dann sieht es aber wieder besser aus. Die Pferde sind gesattelt. Hermann bekommt den Fuchs vom Vormittag, ich einen riesengroßen Grauschimmel. Man muss mir Aufstiegshilfe geben.
Unser Ritt führt zu einem Feldflugplatz, auf dem ein riesiges gelbes Monstrum von einem Flugzeug steht. Eine Antonow, ein Doppeldecker, wenn auch mit geschlossener Kabine und Platz für 6 bis 8 Passagiere. Wir trinken ein Bier (im Sattel, - blöde Art von Ruhepause) während der Besitzer der Maschine versucht uns einen Rundflug anzudrehen; was ihm aber nicht gelingt. Der Trab schlaucht uns ganz schön und wir sind froh, als wir wieder zurück sind.
(Schon am Hof hören wir das leichte Grummeln eines fernen Gewitters. Bri-gittes Pferd erschrickt, aber sie nimmt es so schnell und scharf an die Kant-arre, dass es gar keine Zeit hat auf blöde Gedanken zu kommen).
Beim Absteigen (-springen) verknaxe ich mit den rechten Knöchel, weil ich zu meiner Überraschung keine Beine mehr zu haben scheine. Ich komme mir um einen Meter geschrumpft vor. Eine Stunde hoch zu Ross, lässt Fußgänger wie Zwerge erscheinen. Auch das Auto hat irgendwie an Bodenfreiheit verloren. Das Gewitter zieht jeztz wieder näher. Wir begeben uns aufs Zimmer und fallen ins Bett. Nur der Hunger treibt uns nochmals auf und wir stelzen und stolpern in die Csarda; unser letztes Abendmahl in der Hortobagy; Hortoba- und Topfen-Platschinken. Noch einmal fiedelt uns der Primas ins Ohr. Packen und ins Bett. Toller Sternenhimmel, aber wir sind zu müde zum Hinausgehen.
Dienstag 12. August 1997
Frühstück, Eierspeis, Brot, Marmelade, Pfirsiche, Kaffee. Zimmerabrechnung; kosten würde es etwas über 1100 öS, wir geben 1400. Nach herzlicher Verab-schiedung geht es um 0830 nach Debrecen. Auf der Post geben wir die Karten auf und wechseln 3000.- S. An der Stadtgrenze tanken wir voll und fahren dann westwärts auf der jetzt sehr belebten M4 bis nach Törökszentmiklos. Jede Bewegung des Untergestells entlockt uns lautes Gestöhne, Muskelkater vom Reiten; wieder einmal erholen wir uns beim Autofahren. Mittagessen in einer Raststätte an der Autoschnellstraße, schöne Holzkonstrukt über der überdachten Terrasse, Blaudrucktischtücher; Csirke Paprikas mit Turos-Fleckerl, Rindspörkölt, Kartoffel- und Krautsalat.
Die Ortsdurchfahrten sind schlecht beschildert, aber schließlich gelangen wir doch auf die 442 und nach Tiszaföldvar. Die Orte sind kaum erwähnenswert. In Kiskunfelegyhaza finden wir die Abzweigung nach Bugac nicht. Wir fahren eine lange Straße nach Süden und biegen dann nach Westen und Norden ab. Also nähern wir uns Bugac vom Süden her über Moricgat. Die Bugaci Csarda liegt in einem Wäldchen, überschattet von hohen Bäumen. Düster ist es hier aber auch irgendwie duster, alles wirkt irgendwie gedämpft, verlangsamt, sogar etwas bedrückend. Es kommt uns irgenwie vor wie das Wirtshaus im Spessart. Es ist 1500. Wir nehmen Kaffee und Bier. Deutsche, Italiener, eine große internationale Gruppe ist gerade im Aufbruch begriffen, die anderen Gäste zahlen auch schon. Der Kellner scheint nicht zu begreifen, dass wir nichts essen wollen. Zwei Mann spielen auf alten Instrumenten, noch ältere Volkslieder. Es klint tartarisch. Wie ich später erfahre handelt es sich um ungarische Zithern, ca. 80 cm lang und 25 bzw 50 breit; Besaitung wie beim Klavier mit Nägeln gespannt. Die uneteren Seiten entsprechen den weißen Tasten, die oberen den schwarzen Halbtontasten. Im Holz sind die Oktaven (2 ½ bei der kleineren, 5 bei der größeren) durch Kerben gekennzeichnet.
Das seltsamste aber ist das Bassinstrument, das hier verwendet wird. Ein Tonkrug, dessen Öffnung mit Leder bespannt ist. Aus der Membran ragt ein Stück Rohr. Durch Reiben mit dem Mittelfinger entsteht ein kurzer, dumpfer Ton; aber nur wenn das Rohrstück nasss ist. Dazu wird es mittels eines Filz-stückes, das über dem tonerzeugenden Finger mitgeschoben wird, ständig benetzt.
Nach der kurzen Labung - wir sind mittlerweile die einzigen Gäste - machen wir uns auf Quartiersuche. 300 Meter zurück haben wir ein "Zimmer" -Schild gesehen. Es gehört zu einem Reiterhof. Ein Stallgebäude, Koppeln, ein Longierplatz, mehrere Kutschen, daneben drei niedrige Häuschen. Wir erkundigen uns und haben wie immer sofort eine passende Unterkunft für uns gefunden. Ein halbes niedriges Haus, in der anderen ist eine einfache Küche und Schank untergebracht.
Unser Eingang befindet sich and der Stirnseite, daneben eine schon etwas abgewitterte Holzbank. Wir haben einen Wohnschlafraum, einen zweiten Schlafraum, den wir für unser Gepäck verwenden und ein Duschklo.
Cora, die Doberhündin ist zum Glück auch mit uns einverstanden. Es gibt eine winzige Glückskatze, große und kleine Enten, viel Grün, viel Schatten. Mit einer Flasche köstlichen Rotweins verschnaufen wir an einem großen Holztisch; anschließend einen verspäteten Mittagsschlaf im kühlen Zimmer, zum Abendessen wieder in die Csarda. Paprikahendl, gebratene Ente, Bier. Auch jetzt ist die Stimmung eher flau. Die schon fast lästigen Zigeuner der Hortobagy Csarda gehen einem ab, obwohl sich die zwei Musikanten bemü-hen. In einer Pause lasse ich mir ihre Instrumente erklären und kaufe eine kleinere Version dieses eigenartigen Basskruges. Es gelingt mir sogar dem Ding Töne zu entlocken. Auf dem Gelände stacksen auch noch zwei prächtige Kuvas, ungarische Hirtenhunde, herum.
Noch "fremdelnd" ziehen wir uns bald ins Quartier zurück. (Zuhause angerufe, Flohplage wieder ausgebrochen).
Mittwoch 13. August 1997
Hier schläft man nicht so gut wie in Hortobagy. Es ist zwar auch kühl, aber feuchter und etwas muffig. Die ganze Nacht haben wir nur die Fliegengittertür zu, so dass ich mich nicht ausreichend geschützt und entspannt fühle. Es ist aber auch die erste Nacht an einem neuen Ort und bedarf somit der Ge-wöhnung.
Frühstück im Freien, gut und reichlich. Etliche Deutsche aus der ehem. DDR sind hier - Sachsen, nette Leute. Die Gastgeber - einen Ungarin und ein Bur-genländer (selbst halber Ungar) - sowie das gesamte Personal sind außer-gewöhnlich freundlich und um die Gäste fast schon so bemüht wie um die total verhätschelten Pferde.
Um 1000 machen wir eine Kutschenfahrt in die Puszta. Die gibt es hier ein-gentlich nicht. Es ist alles bewaldet; keine endlosen Flächen zum Horizont, sondern Buschgruppen, Baumgruppen, Waldsäume, Wachholderheide. Aber es ist grün hier, artenreich die Vegetation (ua. rosa Schafgarben, riesige Königskerzen, "Papageiblume").
Unsere Mitfahrer sind ein Ehepaar aus Dresden mit zwei Mädchen, alle sehr ruhig und nett.
Hier gibt es kein Gerumpel und Geholper. Wir sind in der Sandpuszta, die Wege sind glatt, die Wagen gut gefedert. Mehrmals überqueren wir die Trasse einer Schmalspurbahn. Etliche geputzelte Bauernhöfe und schön renovierte Häuser, viele Schilfdächer sehen wir; aber auch verfallene Gehöfte und verlassene Gebäude.
Der Kutscher ist so besorgt um seine Pferde (Halblipizzaner wie wir später erfahren), dass man das Gefühl hat, er würde den Wagen am liebsten selber ziehen und die Viecher aufsitzen lassen.
Die zwei Stunden sind bald um und wir nehmen im Garten eine Brettljausen zu uns. Wespen sind das einzig Störende hier. Cora das Mistvieh scheucht sieben verwaiste Entchen um Teich hin und her.
Nach dem Essen ruhn bis 1600, dem Termin für unsere Reitstunde. Dollar heißt das Pferd. Es trabt viel ruhiger als das von vorgestern. Ich ermüde trotzdem sehr schnell und der Muskelkater macht sich unangenehm bemerk-bar. Hermann hält bis zum Schluß durch und kommt fabelhaft zurecht.
Einkauf in Bugac; so kommen wir doch noch in den Ort (Zigs, Wein, Schnaps, Wurst ~3000 Florinen).
Vor dem Stall auf der Bank hinter der kleinen Birke beobachten wir das leb-hafte Treiben des Hofs; anschließend ein Bier im Garten. Dann machen wir uns mit anderen Gästen auf zu einer Sonnenuntergangstour mit Ochsenge-spann. Mit den Autos fahren wir zu einem Hof in der Puszta. Es ist war ein Musterbetrieb in der kommunistischen Ära (obgleich die Familie nie Mitglied der Kooperative war). Musterhaft ist der Hof in jeder Hinsicht.
Wir werden mit einer Runde Schnaps begrüßt. Györgyi unsere Gastgeberin am Reiterhof, die auch den Ausflug organisiert hat, erzählt über den Hof und seine Besitzer. Dann drängt sie uns zu einer kurzen Besichtigung (Storchen-nest in einem Baum, Wollschweine, Graurindern) und zu dem vorbereiteten und angespannten Ausflugswagen.
Und da steht es, das Ochsengespann! Vier Graurindern mit ihren hochaufra-genden Hörnern sind ins Joch gespannt. Glocken hat eine jedes, in einer anderen Tonlage gestimmt. Dahinter ein sehr langer, schmaler Wagen. Auf den Bänken können kaum zwei Leute nebeneinander sitzen. Am Kutschbock der Bauer, neben sich eine Peitsche so hoch wie ein kleiner Bootsmast, hinter ihm einer seiner Söhne, ein dicklicher junger Mann mit Brillen. Sie sind beide in schwarz-weiße Tracht gehüllt.
Der Bauer hebt die Peitsche, mit einem tiefen, langen Ton treibt er die Ochsen an, das Gefährt setzt sich in Bewegung. Archaisch sind die Zurufe, die tief aus seiner Brust kommen, mit denen er die Zugtiere lenkt. Die großen Räder schwanken über das Gras, die Glocken klingen durcheinander und hinter den Bäumen versinkt blutrot die Sonne.
Am halben Weg wird angehealten und aus einer Korbflasche süßer, weißer Wein ausgeschenkt. Ein anderes Mal springt der Jungbauer ab, schultert die Peitsche und läuft neben dem Gespann her, - damit er sie antreiben kann, falls sie die steile Böschung nicht hinaufkommen. Stallaternen werden ent-zündet und seitlich an den Wagen gehängt. Durch den Busch und über die Wiesen geht's zurück zum Hof.
Eigentlich müßte man sich jetzt still und zu zweien hinter einem Heuhaufen verziehen, in den dunklen Himmel starren und das auf sich einwirken lassen, was man gerade gesehen hat. Aber - schließlich ist es schon spät geworden und der Mensch hat auch einen Magen. In einem Gebäude, dass nur aus Dach und Boden besteht, zwei von vier wänden mit Baufolien zugemacht, sind Lange Tische gedeckt. Große Krüge mit süß duftendem Apfelmost werden herbeigebracht, Schüsseln mit Pörkölt und Nockerln, Flaschen mit Wein und schon geht eine großes Beißen und Schlingen los. Als Nachspeise gibt's Topfenpalatschinken (Turos palatsinta), schön braun und knusprig.
Der Bauer hat die Ochsen versorgt und gesellt sich zu uns. Er zieht einen von diesen komischen Basskrügen hervor. Man muss schon ganz schön musikalisch sein, wenn wenn man nur von diesem kurzen, stoßweisen Ge-brumm begleitet wird. Er macht das gut. Beim zweiten Lied fällt Györgyi ein. Die kann wirklich gut singen. Schließlich zeigt der Bauer Brigitte, wie man dem Krug Töne entlockt (er weiß ja nicht, dass sie schon in der Csarda geübt hat). Brigitte fordert ihn auf zu singen und begleitet in auf dem Basston. Damit hat er nicht gerechnet. Aber er ist ein Mann mit gutem Humor, während sich seine vielen kleinen Lachfältchen zusammenziehen singt er eine langsame Weise, wobei er von einem Bein auf das andere steigt. Er ist einen beeindruckende Persönlichkeit - ruhig und gelassen und vom Wesen der Freundlichkeit erfüllt.
Nach der reichlichen Tafel fahren wir gegen 1100 wieder nach Haus. Die Nacht ist schwarz und in der Puszta gibt es keine Lichter, außer den Sternen. Der Wein war reichlich, zum Glück fahren die Gastgeber vor uns her, ob wir inder Finsternis und dem Zickzack der Feldwege nach Hause gefunden hätten ist fraglich.
Donnerstag 14. August 1997
Nach dem Frühstück Abrechnung mit den Gastgebern. Zwei Nächte mit Frühstück, Getränke, Jause, Ochsentour (3800), alles zusammen 17'000, wir geben 20 (1400 öS).
Abfahrt von Bugac um 0915. Zuerst nach Kecskemet, über die Autobahn nach Budapest, mit der Umfahrung (Autoschnellstraße, keine Autobahn) umgehen wir Budapest im Süden und Westen. Dann sind wir auf der Strecke, die wir schon von der Herfahrt kennen. Doch jetzt ist alles viel vertrauter. Tanken vor der Grenze, - anscheinend ist Benzin hier billiger, die Tanstelle ist bumsvoll.
Auf der ganzen Fahrt ist mir schlecht. Warum, weiß ich nicht. Um 1230 an der Grenze, 35' im Stau, sehr heiß, aber dann flott weiter. Fahren in Schwechat ab, um in Wien die Südosttangente zu vermeiden. Morgen ist Feiertag, damit ist heute ein falscher Freitag und wir wollen eventuelle wochenendliche Staus vermeiden.
Mir gehts wieder besser. Um 1430 sind wir so gut wie daheim. Noch einen Einkauf bei Billa Pfaffstätten, Filme vom Olko holen, die wir vor dem Urlaub hingebracht haben und dann - von der Hitze geschaft - endlich zu Hause. Es war eine traumhafte Reise.